Die Rekrutenmusterungen, die sonst gewöhnlich im März stattfanden, waren in diesem Jahr am 5. Januar. Am 9. und 10. Februar war in Cochem Musterung aller als krank oder untauglich abgeschickten Ersatzreservisten zur endgültigen Erledigung ihrer Militärangelegenheiten. Auch andere als dienstuntauglich abgeschickten Eingeforderten hatten sich zu stellen.
Am 17. Februar überflog wieder ein Luftschiff hiesige Gegend. Es wurde wegen des schlechten Wetters nur von einigen gesehen, aber von vielen gehört. Nachrichten vom Kriegsschauplatz erfuhr man in der ersten Zeit des Krieges durch die Zeitungen. In letzterer Zeit erscheinen täglich „Kriegsdepeschen“, die an der Post angeschlagen werden und von den Leuten eifrig gelesen und besprochen werden.
Die Chronik wurde bisher geführt von Lehrer Nikolaus Rock. Er war am 18. August mit dem unausgebildeten Landsturm in die Musterung, wurde ausgehoben zur Fuß-Artillerie, machte dann die II. Prüfung (Notprüfung) in Koblenz und musste sich am 1. März stellen.
Am 1. März 1915 wurde College Rock zur Fahne einberufen und kam zur Infanterie nach Saarlouis. Mit der Vertretung wurde Lehrer Rosarius, (Schreiber dieser Chronik) betraut.
Derselbe hält den Unterricht wie folgt: Montags-, Dienstags-, Mittwochs-, Donnerstags- und Freitagsmorgens in der eigenen Schule zu Lahr und Montags-, Dienstags-, Donnerstags- und Freitagnachmittags sowie Samstagmorgen in der Schule zu Zilshausen.
Während der Zeit musste der ungediente Landsturm sowie die Neunzehnjährigen zur Musterung, wovon die meisten nach und nach des Königs Rock tragen mussten wie folgt:
-Peter Schmidt: Fußartillerie
- Anton Seul : Artillerie
-Josef Häbler: Artillerie
-Friedrich Wendling: Infanterie
In russischer Gefangenschaft gerieten ein Sohn unseres Herrn Ortsvorstehers Matthias Josef Weins am 22.9.1915. In französische Gefangenschaft gerieten folgende: Friedrich Pies, Philipp Hiester, Friedrich Wendling, Peter Meurer.
Den Heldentod fürs Vaterland starben: Jakob Busch am 27. November, Hubert Weinem, Nikolaus Wendling und am 7. Juni Josef Hammes, während kurz nachher sein Vater starb und sein Bruder, so dass große Trauer wie so oft in dieser Zeit auch die Familie betraf. Da die englischen Neider sahen, dass unser geliebtes Deutschland mit Waffengewalt nicht niederzuringen sei, fassten sie den ruchlosen Plan, uns aushungern zu lassen, indem sie den deutschen Handel blockierten und lahmlegten. Daher war Deutschland in allem auf sich selber angewiesen, so dass alles sehr rar wurde. So wurden für Erbsen und Linsen pro Zentner 50 bis 70 Mark gezahlt, trotzdem der Ertrag in diesem Jahr als ein reichlicher angesehen werden kann.
Zu Anfang des Krieges wurden schon die sogenannten Brotkarten und das Ausmahlen des Getreides bis auf 80-85 % eingeführt. Beim Mahlen muss jeder seinen sogenannten Mahlschein bei sich haben, der beim Ortsvorsteher gestempelt sein muss und das Quantum in ein Mahlbuch eingetragen sein muss. Es steht jedem pro Tag ein halbes Pfund Brot zu, was für die Bauersleute bei der schweren Arbeit im Freien zu wenig ist und viele deshalb wieder Gerstenbrot dazu verarbeiten. Sehr schlecht ist es mit Fleisch und mit Fett bestellt, da nach einer Verfügung im vorigen Jahre die Schweine von über einem Zentner geschlachtet werden mussten, wobei auch viele Zuchtsäue waren.
So machte sich die schlimme Folge davon jetzt geltend und die wenigen kleinen Ferkel erfuhren einen unerschwinglichen hohen Preis, so dass pro Stück schon für ein 6-8 Wochen altes Schweinchen 120 – 140 Mark gezahlt wurde. Den Höchstpreisen entsprechend, ist das nun eine unvergleichlich hohe Summe, weshalb die Bauersleute nicht mehr als für ihren Bedarf ziehen wollen. Der Butter-Höchstpreis beträgt 1,90 Mark pro Pfund, während in dem angrenzenden Kreis Simmern 2,30 Mark bezahlt wird, weshalb die Bewohner des hiesigen Kreises fast keine Butter bekommen, die nicht Viehhalter sind. Von Treis aus, wo es Leute gab, die ein halbes Jahr lang keine Butter gesehen hatten, erfolgten diesbezüglich Anzeigen, da viele hiesigen Bewohner dabei den Höchstpreis überschritten trotz Mahnung der Behörden, worauf Strafen erfolgten. Auch benutzen die Leute hierselbst die Butter zum Schmelzen wegen Fett- und Ölmangels.
Um letzteren abzuhelfen, sind in unserer Gemarkung viele sogenannte „Kul-Felder“ und Rapsfelder angelegt, deren Stand ein sehr guter ist. Derselbe reift Ende Juni Anfang Juli und im Herbst, dann wird er auf die eine Stunde weiten Weges Mühle gebracht. Ein Zentner gibt etwa 18 Liter gutes Öl, wobei der Kuchen (ausgepreßt) als gutes Schweinfutter benutzt wird. Der Petroleummangel machte sich auch sehr bemerkbar, man behalf sich mit ganz kleinen Petroleumlämpchen – es wird sogar ein solches als „ewiges Licht“ in unserer Kirche vor dem Tabernakel verwandt. Auch Carbid und Kerzen und einzelne Spirituslichter werden benutzt.
Die meisten Häuser hatten im Winter schon sehr früh dunkel, teils überhaupt kein Licht, bis dank der hiesigen Ortsbehörde größere Mengen Petroleum schicken gelassen wurde, wodurch dem Lichtmangel (wichtig für die Viehställe) abgeholfen wurde.
Eine sehr große Preissteigerung erfuhr das Schuhwerk – ein Paar Schuhe früher 5 – 8 Mark, heute 30 und noch mehr Mark. Daher gehen einzelne Kinder mit vollständig zerrissenen oder Holzschuhen und außerhalb der Schule mit nackten Füßen, was einer großen, armen Familie gar nicht zu verdenken ist.
Sehr groß ist der Seifenmangel, fast gar nicht ist der Artikel erhältlich oder gegen 5 bis 6 facher Preissteigerung. Es behelfen sich die Leute mit ausgelaugter Asche, die die Wäsche gut reinigt oder man hat (durch mich darauf aufmerksam gemacht) selber Schmier- und harte Seife als Notbehelf gemacht. Da nahmen wir 10 l Regenwasser, ein Pfund geriebene harte Seife, Benzin, Seifenpulver, Persil und ließen das Gemisch 10 Minuten kochen – ähnlich die harte Seife. Der Versuch war lohnend, natürlich fehlte der nötige Fettgehalt.
Alle Lebens- und Haushaltungsmittel erfuhren so eine gewaltige Preissteigerung. Milch, die sonst hiesiger Orts 10 – 12 Pfennige das Liter kostete, kosten jetzt 22 Pfennig. Eier früher 6 Pfennig pro Stück, jetzt 23 – 26 Pfennige. Die hiesige Gegend wird von Aufkäufern solcher Art und für Butter rein überschwemmt, die auch die Preise machen.
Oftmals fand ein Aufnahmebestand von Kartoffeln, Heu, Stroh, Runkelrüben, Kohlraben, Zucker statt, ebenso für Vieh und schlachtreifes, fettes Vieh. Selbiges mussten die Eigentümer selbst nach Cochem bringen, wo sie aufs Schlachtgewicht den Höchstpreis dafür erhielten: so Morsch Zilshausen, Haebler Petershausen und einige andere.
Das über den Bedarf vorgefundene Heu musste nach Kastellaun gefahren werden. Für Runkelrüben wurde pro Zentner 3,50 Mark, für Kohlraben 4 Mark bezahlt. An den Liebesgabensammlungen sowie an den Kriegsanleihen hat sich der Ort stark beteiligt. Ich, Schreiber dieser Chronik, sammelte bei der IV. Kriegsanleihe von den Kindern 2999 Mark, was für dieses armes Hunsrückdörfchen ein großes vaterländisches Interesse an den Tag legte.
Der Sommer 1915 war ein sehr trockener, so dass die Leute gezwungen waren, wegen der furchtbaren Strohknappheit, die Eichen ihrer Blätter zu berauben, was noch sehr viele Protokolle zur Folge hatte.
Es wurden eiserne 5- und 10-Pfennigstücke geprägt und eingeführt, die aber wegen ihrer Oxydierung die Gunst des Volkes nicht erhalten können, da sie sehr leicht mit den 1- und 2- Pfennigstücken verwechselt werden können.
Die reichlichen Sammlungen hiesiger Orts beweisen die Vaterlandsliebe der Ortseingesessenen:
I. Sammlung: 91 Mark
II. Sammlung: 3 Säcke Brot, je eine Kiste Äpfel, Fleisch, Butter, Eier
III. Sammlung: 3 Körbe Unterkleider, 3 Kisten Zigarren
IV. Sammlung: 9 Säcke Wollsachen
V. Sammlung: 30 Mark
VI. Sammlung: 10 Mark für Wohlfahrtskarten
VII. Sammlung: 7 Flaschen Wein, 1 Eimer Gelee, 2 Mark, 1 Sack getrocknetes Obst
Die Ölknappheit ist hiesiger Ort entgegengearbeitet worden durch die vielen „Kulanpflanzungen“ – rechnet man doch auf 60 Pfund „Kul“ 11 bis 12 Liter Öl. Diese kosten beim Ankauf desselben 18 Mark und man hat auch noch die sogenannten Ölkuchen für das Vieh. Von schwerem Unglück wurde eine Familie Hammes heimgesucht. Der Vater starb einen Monat vor dem Kriege. Ihm folgte während des Krieges sein Frau, ein 38 jähriger Sohn – und der jüngste Sohn starb den Heldentod. Überhaupt hat die Sterblichkeit der alten Leute im Kreis sehr zugenommen.
Man sieht fast nur alte Leute, Frauen und Kinder bei den Feldarbeiten. Sonderbarerweise haben Bemühungen um Einstellung von Kriegsgefangenen bisher keinen Erfolg gehabt. Am 3. Juni 1916 wurden auf dem Petershäuser Hof zwei Kriegsgefangene Russen eingestellt, die aber nach 14tägiger Arbeit wieder das Weite suchten.
Am 1. Juli sollten die Heuferien beginnen. Wegen voraussichtlich schöner Witterung begannen dieselben 8 Tage früher. Nun regnete es leider während der ganzen Ferien und noch bis zum 18. Juli, so dass zwar sehr viel Heu aber schlechtes Heu gab.
Jetzt fing ein trockener Monat an, der bis zum 19. August dauerte. Selbiger war zwar für die Reife der im allgemeinen gut stehenden Frucht von großem Nutzen, setzte aber alle Gewächse, namentlich die Frühkartoffeln, zurück.
Der Ertrag der Körner ist allgemein mit gut zu verzeichnen. Stroh gibt es gegen voriges Jahr sehr viel.
Die Höchstpreise sind folgende:
- Frühkartoffeln pro Zentner: 5,50 Mark
- Roggen: 11,50 Mark
- Weizen: 13,50 Mark
- Hafer und Gerste: 15,50 Mark
Im allgemeinen herrschte eine sehr ungünstige Witterung – sehr viel Regen. Infolgedessen ist die Kartoffelernte ziemlich schlecht ausgefallen. Es waren sehr viele Sträucher ausgeblieben und sehr viele Kartoffeln gefault.
Die Gemüse sind sehr gut geraten, namentlich Kappes und Wirsing. Die Kartoffeln mussten alle abgegeben werden, bis auf das zustehende Quantum von 1, 1/2 Pfund pro Tag. Keine Kartoffeln dürfen verfüttert werden mit Ausnahme derjenigen, die zur menschlichen Ernährung nicht mehr geeignet sind. Der Preis für dieselben ist 4 Mark pro Zentner. Die Runkelrüben- und Kohlrabenernte waren sehr gut. Der Preis für letztere war 3,80 Mark, wurde aber auf 2,50 Mark herabgesetzt.
In Treis bei Kaufmann Born wurde eine Buttersammelstelle errichtet. Für 1 Pfund erhalten die hiesigen Ortseingesessenen 2,10 Mark – beim Hinbringen nach Treis 2,20 Mark. Jede Woche freitags wird selbige hier abgeholt. Anfangs haben die Bauersleute hier nicht recht mitgezogen, der Preis schien ihnen zu gering, jetzt geht es schon besser. Auf Butterkarten hin bekommt jederman pro Woche 90 Gramm.
Am 11. September 1916 starb den Heldentod fürs Vaterland ein hiesiger Sohn, der noch zwei Jahre bei mir in der Schule war und jedem jungen Mann als Muster dienen konnte. Die Trauer bei dessen Exsequien am 20. 9. war allgemein. Er war die einzige Stütze seiner armen alten Eltern. Es war der Jakob Haupt, geb. am 26.1.1896 hierselbst. Er ruhe in Frieden!
Zum reinsten Sport ist das Haselnußsuchen und Bucheckernauflesen geworden, deren Ernte gerade dieses Jahr eine sehr reiche war. Dieselben werden meist zur Ölgewinnung benutzt. Auch die hiesige Schule beteiligt sich sehr eifrig am Sammeln von Bucheckern. Der Fleiß der Kinder wird mit 0,25 Mark pro Pfund bezahlt. Auch die Erwachsenen beteiligen sich mit regem Wetteifer an der Sammlung. Es gibt Ortseingesessene, die durch Zusammenkehren, Sieben, in der Windmühle bearbeiten und abends im Kreise der Familie auslesen drei Zentner gesammelt haben. Hier wurden die Bucheckern beschlagnahmt, der Fleiß jedoch mit 0,25 Pfennig pro Pfund bezahlt. Zum Selbstverbrauch durfte ein jeder nicht über 50 Pfund zu Öl schlagen lassen. Es wird auf ein Simmer ( =25 Pfund) 3 – 4 Liter feines Salatöl gerechnet.
Am 4. September wurde College Rock, Lehrer des hiesigen Schule, durch 4 Granatsplitter verwundet. Herr Kaplan Ketter, Sohn vom Schreinermeister Peter Ketter, erwarb sich in Freiburg den Doktor-Titel und kam als bischöflicher Kaplan am 2. 9. nach Trier.
Am 16. 9. überflog ein Flieger (Eindecker) zur Freude der Jugend und Bewunderung der Erwachsenen den hiesigen Ort. In dieser Zeit kam auch das Gesetz über die sogenannte Hausschlachtung auf. Zuerst musste man unter Angabe des Gewichtes des Schlachttieres, sowie der Mitglieder des Haushaltes, ein Gesuch einreichen. Nach Genehmigung desselben wurde geschlachtet und das Tier durch einen Fleischbeschauer (Clotten) besichtigt.
Auf den Kopf der Bevölkerung wurde pro Woche 1 Pfund, für Kinder 1/2 Pfund gerechnet, gegenüber den Nichtselbstzüchtern 1/2 Pfund bzw. 1/4 Pfund pro Woche.
Es wurde auch eine freiwillige Fleischabgabe zum Nutzen der Arbeiter in den Industriegegenden (Saarbrücken) veranstaltet. Am 18. September wurden Julius Gräff 19 Jahre, Theodor Mies 19 Jahre alt und Peter Lang 20 Jahre alt eingezogen. Am 3. August wurde Anton Brodam eingezogen, ebenso Aloys Meurer. Am 6. Oktober wurde Friedrich Zilles eingezogen.
Im hiesigen Ort sind auch zwei Russen als Gefangene als Arbeiter in der Landwirtschaft tätig: einer bei Geschwister Wendling, der andere bei Friedrich Jakob Pies, der selbst in französischer Gefangenschaft ist. Am 1. Dezember wurden Johann Kochhan, Josef und Johann Schug sowie Meinhardt, der schon einmal wegen Augenkrankheit entlassen war, eingezogen.
Bernhard Brodam, Sohn von Witwe Brodam, erhielt wegen besonderer Tapferkeit das „Eiserne Kreuz“. Er wurde am 23. September durch Kopfschuss schwer verwundet und liegt in Lüdenscheid bei Essen im Lazarett.
Am 16.10. fand hier ein feierliches Begräbnis statt. Man brachte den auf dem Felde der Ehre verwundeten, im Lazarett zu Bingen, nachdem ihm ein Bein amputiert worden war, verstorbenen Anton Wendling (22 Jahre alt) zu Grabe. Ihm war schon ein Bruder auf dem Felde der Ehre vorausgegangen, während der dritte Sohn der Witwe Wendling noch an der Front weilt. Die Teilnahme war allgemein und rührend.